Warum China mit Sanktionen zögert
Warum China mit Sanktionen zögert
Op-Ed / Asia 2 minutes

Warum China mit Sanktionen zögert

Das Regime in Peking lehnt aus verschiedenen Gründen Sanktionen gegen Iran ab. Im Streit um das Atomprogramm versucht China zuvörderst, die eigene Position zu stärken.

Seit Monaten üben die USA diplomatischen Druck auf China aus, um erneut Sanktionen gegen Iran zu bewirken. Diese Bemühungen fördern jedoch weniger eine echte Lösung der iranischen Nuklearfrage, als dass sie den chinesischen Interessen in die Hände spielen. Gegenwärtig plädiert China für eine Auseinandersetzung auf dem diplomatischen Wege. Die Strategie des "Verzögern und Schwächen" der Sanktionen ermöglicht China, sowohl den Westen als auch Iran auszuspielen und somit von beiden Zugeständnisse zu bekommen.

Peking will aus gleich mehreren Gründen starke Sanktionen vermeiden: Erstens ist Iran Chinas zweitgrößter Öllieferant. China und Iran teilen eine starke Abneigung gegen westlich-imperialistisches Verhalten. Das geht zum einen auf historische Gründe zurück, hat aber auch mit der aktuellen amerikanischen Haltung gegenüber deren Innenpolitik zu tun. Sowohl China als auch Iran empfinden diese als Einmischung. Pekings starke Verbundenheit mit Teheran soll also auch ein Gegengewicht zu amerikanischen Interessen innerhalb einer Region bilden, die China als Teil seiner "weiteren Peripherie" auffasst.

Zweitens sieht Peking, im Gegensatz zu den USA und Europa, in der Frage der iranischen Atompolitik keine dringende Notwendigkeit zum Handeln. Die meisten chinesischen Analysten sind nicht davon überzeugt, dass Iran in absehbarer Zeit in der Lage sein wird, Uran so anzureichern, dass es Nuklearwaffen produzieren könnte.

Drittens hat Peking keine Angst vor einem israelischen Luftangriff auf iranische Atomanlagen. Es ist der Meinung, dass die USA motiviert und stark genug sind, um ihren Verbündeten zu zügeln. Es macht den Chinesen auch wenig aus, dass dieses Thema amerikanische Ressourcen und Aufmerksamkeit in Anspruch nimmt.

Viertens: Peking steht der Zweckmäßigkeit von Sanktionen skeptisch gegenüber. Bereits drei Mal hat der Westen Sanktionen gegen Iran verhängt, ohne großen Erfolg. Sanktionen, so China, werden viel wahrscheinlicher nur mehr Widerstand bewirken. Peking vermutet, dass die westliche Fixierung auf Zwangsmaßnahmen Teil eines umfassenderen Plans ist, der einen Regimewechsel in Teheran fördern soll. Bei solchen Themen handelt China immer vorsichtig.

Blockiert China am Ende tatsächlich die bevorstehenden Sanktionen, würde es dafür nicht nur einen hohen politischen Preis zahlen, sondern auch einige seiner bedeutsamsten Interessen gefährden. Trotz der jüngsten Reibungen mit den USA wegen der Waffenlieferungen an Taiwan und wegen Obamas Treffen mit dem Dalai Lama, dem Oberhaupt der Tibeter, will China nicht ernsthaft seine wichtigste bilaterale Beziehung gefährden.

Vorerst steht China noch auf dem Siegertreppchen. Das Beharren auf eine diplomatische Lösung verlängert den Zeitraum, indem alle Parteien um Pekings Unterstützung buhlen. Gleichzeitig steigert China seine Hebelwirkung. Je feindlicher sich der Westen gegen Iran verhält, umso mehr Macht gewinnt Peking in Richtung Teheran. Iranische Beamte versuchen bereits, China in eine verbindlichere, engere Beziehung im Energiebereich zu locken. Anreize wie etwa Steuersenkungen für chinesische Ölunternehmen sollen dabei helfen.

Sieht sich China jedoch mit einer einstimmigen Unterstützung für Sanktionen von allen anderen ständigen Sicherheitsratsmitgliedern konfrontiert, wird es nicht mehr sein Veto einsetzen. Dabei ist die Position Russlands ein wesentlicher Faktor bei Chinas Berechnungen. Traditionell arbeitet Peking mit Moskau zusammen, um im Sicherheitsrat nicht isoliert zu werden. Moskaus wahrscheinliche Unterstützung der Iran-Sanktionen schrumpft daher drastisch das Potenzial eines chinesischen Einspruchs. Viel eher wird China versuchen, die Zwangsmaßnahmen so weit wie möglich zu schwächen und letztlich wirkungslos zu machen.
 

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