Ein Ausweg für das geteilte Zypern
Ein Ausweg für das geteilte Zypern
Op-Ed / Europe & Central Asia 3 minutes

Ein Ausweg für das geteilte Zypern

Israel will sein Gasfeld im Mittelmeer ausbeuten. Die beste Option dafür ist ausgerechnet eine Kooperation mit der Türkei und Zypern – den alten Feinden.

Von der Öffentlichkeit nahezu unbemerkt, drängt Israel ausgerechnet die Türkei und Zypern, eine wichtige Zukunftsentscheidung zu treffen: Wollen sie sich gemeinsam an der Erschließung von israelischen Erdgasvorkommen im östlichen Mittelmeer beteiligen? Oder ziehen sie es vor, ihren seit Jahrzehnten festgefahrenen Disput über das geteilte Zypern auch hier einer möglichen Kooperation im Wege stehen zu lassen?

Israel lässt keinen Zweifel daran, dass es zukünftig am liebsten beide Länder über Exportleitungen mit Erdgas versorgen würde. Und Israels Verhandlungsposition ist gut, eine wirtschaftliche Kooperation hätte für die Türkei wie auch Zypern Vorteile. Die israelischen Gasfunde sind vielversprechend. Wie ergiebig dagegen die Funde vor Zypern sein werden und ob auch sie größere Gasexporte erlauben, ist noch ungewiss.

Es zeigt sich immer klarer, worauf Israel zielt. Bereits im Januar bezeichnete ein israelischer Spitzenbürokrat die Türkei als naheliegenden Hauptabsatzmarkt für das israelische Gas. Im Juni dann legte sich die Regierung auf zukünftige Exporte fest und schlug vor, mit dem Gas eine außerisraelische Verflüssigungsanlage für Erdgas (LNG) zu versorgen. Infrage kommt hierfür im Grunde nur Zypern. 

Israels Plan könnte Spannungen zwischen Türkei und Zypern abbauen

Israels Energie-Gesandter Michael Lotem war es schließlich, der die Puzzleteile vergangene Woche zusammenfügte. Eine Energieanlage in Zypern, mit der sich die israelischen Gasexporte verflüssigen ließen, sei die am wenigsten komplizierte Option, die man derzeit habe, sagte er im Rahmen einer Konferenz in Paphos auf Zypern. Und damit befeuerte er die Hoffnungen all jener Zyprer, die sich eine solche Großanlage wünschen, die zu einem Knotenpunkt für die Energieversorgung der Region werden könnte. Aber, so fügte Lotem hinzu, man wolle nicht allein auf ein Pferd setzen. Man werde sich auch nach weiteren Exportzielen umschauen.

Ein solches weiteres Ziel, so ist von israelischen Beamten und türkischen Firmenvertretern zu hören, sei die Türkei, deren Küste türkische Firmen gerne über Leitungen mit den Erdgasvorkommen im Leviathan-Feld vor Israels Küste verbinden möchten. Von hier aus könnte das Gas dann entweder ins türkische Netz fließen oder über andere Leitungen nach Europa verlegen werden. 

Aber natürlich hat die Sache einen Haken. Die Gasleitung in Richtung Türkei müsste durch die international anerkannte, sogenannte Ausschließliche Wirtschaftszone (EEZ) Zyperns führen. Mit Blick auf das UN-Seerecht ist zwar für den Verlauf einer Leitung durch die Zone keine formelle Genehmigung erforderlich. In der Praxis jedoch wäre der Leitungsbau ohne eine solche Genehmigung nicht denkbar. 

Der israelische Plan könnte dazu beitragen, die Spannungen zwischen der Türkei und Zypern abzubauen. Beiden Seiten ist es in den letzten Jahren nicht gelungen, sich über vertrauensbildende Maßnahmen einander anzunähern. Zypern ist bereits seit 1964 politisch und seit 1974 militärisch geteilt.

Türkei riskiert, den Kürzeren zu ziehen

Eine durch Israel initiierte Wende würde zwar auch von einigen türkischen und griechisch-zyprischen Geschäftsleuten und Regierungsvertretern begrüßt. Ob es jedoch überhaupt dazu kommt, ist fraglich. Zyprische Vertreter schließen eine Genehmigung für die Verlegung einer Erdgasleitung durch die zyprische Wirtschaftszone hindurch zur Türkei zumindest so lange aus, wie sich der Konflikt um die Teilung Zyperns fortsetzt. Erneute Verhandlungen sollen im Oktober beginnen. Gleichzeitig gibt es keinerlei Anzeichen, dass der anti-israelisch eingestellte türkische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdoğan einer Erdgasleitung zustimmen würde, von der Israel profitiert.  

Doch natürlich riskiert die Türkei, selbst den Kürzeren zu ziehen, wenn das israelische Gas am Ende ganz andere Wege nimmt. Nach dem Zusammenbruch seiner wichtigsten Banken braucht Zypern dringend wirtschaftliches Wachstum. Und es braucht die Gelder, die es im Gas vermutet, nicht zuletzt, um seine Schulden gegenüber der Europäischen Union zu begleichen. Und wenn Zypern einer Gasleitung durch die Ausschließliche Wirtschaftszone hindurch zur Türkei nicht zustimmt, dann, so hört man aus Israel, wird Zypern höchstwahrscheinlich auch keine Gaslieferungen für die ersehnte LNG Anlage bekommen. Israel will sich von keiner Seite her in den türkisch-zyprischen Konflikt einspannen lassen. Es ist die bittere Wahrheit im Streit um Zypern, dass beide Konfliktparteien schon seit Langem vor allem eines wollen, ihrem Gegner schaden – auch dann, wenn sie dafür einen hohen Preis zahlen.

"Was kurzfristig verlockend ist, könnte langfristig einen hohen Preis fordern", erklärte der israelische Gesandte Lotem auf der Konferenz von Paphos. Die Gasexporte, so fügte er hinzu, sollten auf ein engeres Zusammenspiel von Israel, der Türkei und Zypern hinauslaufen und so zu Frieden in der Region beitragen. Er warnte davor, das alte "Nullsummenspiel" weiterzutreiben. Am Ende könnten einige mit null dastehen. 

This article was translated into German by Nadja Leoni Nolting

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