China fürchtet sich vor den Wahlen in Birma
China fürchtet sich vor den Wahlen in Birma
Op-Ed / Asia 3 minutes

China fürchtet sich vor den Wahlen in Birma

Die Grenze zu China ist sicher, die Wahlen hätten keine negativen Auswirkungen, versicherte Birmas Junta-Chef Than Shwe noch im September der chinesischen Führung. Doch Peking glaubt das nicht so recht. Denn in Wahrheit sind Konflikte an der Grenze zu China seit der Unabhängigkeit Birmas 1948 an der Tagesordnung. Dort entlang herrschen einige wenige ethnische Gruppen über ihr eigenes Territorium. Sie unterhalten dabei sowohl Milizen, als auch eigene politische Vertretungen.

Peking ist beunruhigt. Im August 2009 brach eine Offensive der birmesischen Armee in der Kokang-Region einen zwanzigjährigen Waffenstillstand. Mehr als 30.000 Menschen flohen in die chinesische Provinz Yunnan. Die Militärkampagne überrumpelte die chinesische Führung, obwohl ihre Provinzgouverneure sie wahrscheinlich hatten kommen sehen.

Indes lädt sich die Situation in der Grenzregion weiter auf. Die birmesische Wahlkommission hat eine der großen ethnischen Gruppen, die Kachin, von der Parteienregistrierung ausgeschlossen. Nicht einmal deren unabhängige Kandidaten sind zur Wahl zugelassen. Krieg sei immer wahrscheinlicher, warnte der Anführer der Kachin, sollten die legitimen Anliegen der Gruppe ignoriert werden. Dieses nicht gerade zimperliche politische Vorgehen des Militärregimes in Birma beunruhigt China sogar mehr als die USA.

Im Gegensatz zu Washingtons vorsichtigem Engagement hat Peking nun die Zügel in die Hand genommen. Nach der Kokang-Offensive hat die chinesische Führung offenbar das Vertrauen in die Fähigkeiten ihrer Provinz Yunnan verloren, zeitliche und akkurate Informationen in die Hauptstadt zu liefern. Sie hat deshalb eigene Beamte in die Provinz beordert, um Informationen zu sammeln. Außerdem unterhält Peking direkten Kontakt mit den ethnischen Gruppen entlang der Grenze. Das liegt normalerweise im Kompetenzbereich der Provinzregierung Yunnans.

Peking hat auch eine private Vermittlung zwischen der birmesischen Regierung und den Gruppen im Grenzbereich arrangiert. Sie soll beide Seiten zu einer Fortsetzung des Dialogs bewegen und eine weitere Eskalation des Konflikts vermeiden. Und zuvor hatte China bereits den Anführer der Volksgruppe der Wa dazu gezwungen, an Verhandlungen mit birmesischen Regierungsbeamten teilzunehmen. Er hatte dies zuvor mehrfach abgelehnt. Die Wa sind die ethnische Gruppe mit der größten Miliz und der problematischsten Beziehung zur birmesischen Regierung.

Die kommenden Wahlen stellen nun eine zusätzliche Herausforderung dar. Es ist unwahrscheinlich, dass sie frei und gerecht sein werden. Peking hatte gehofft, dass sich die ethnischen Gruppen zahlreich am Urnengang beteiligen. Das würde die Glaubwürdigkeit der Wahlen erhöhen und das Konfrontationsrisiko vermindern. Aber die Wa haben sich geweigert, Wahlen in ihrem Gebiet zuzulassen, und den Kachin wurde das Wahlrecht entzogen.

Auf lange Sicht kann diese schon jetzt schwierige Situation die Beziehung zwischen den ethnischen Gruppen und der birmesischen Regierung noch prekärer machen. Das Militärregime übt inzwischen Druck auf die Gruppen aus, um deren Milizen in von der Regierung kontrollierte Grenzkontrolltruppen umzuwandeln. Das lehnen diese jedoch kategorisch ab. Eine weitere militärische Offensive wird immer wahrscheinlicher.

Dieses Szenario will Peking um jeden Preis vermeiden. Doch die gleichzeitige Koordinierung seiner Beziehungen mit Birma und den ethnischen Gruppen ist eine nervenaufreibende Aufgabe. Beide Seiten trauen China nicht. Die birmesische Regierung ist besorgt über Chinas langjährige Unterstützung der ethnischen Gruppen an seiner Grenze. Und während einige dieser Gruppen es schätzen, dass China Birma von militärischen Schritten abrät, glauben andere, dass Peking sie zugunsten der eigenen Handels- und Sicherheitsinteressen aufgegeben hat und sie deshalb an den Verhandlungstisch zwingt.

Die Volksgruppen nehmen Peking zudem deren große Investitionen in ihren Provinzen übel. Vor allem in den Staaten Kachin, Shan und Rakhine tragen viele Projekte zu einer Steigerung der weit verbreiteten Verbitterung gegenüber China bei. Grund dafür sind vor allem die ungleiche Verteilung der Profite und die schädliche Auswirkung, welche die Projekte auf die Umwelt, auf die lokalen Gemeinschaften und die traditionelle Lebensweise der Menschen haben.

Aktivisten werfen China ebenfalls vor, durch seine Investitionsprojekte in den Waffenstillstandsgebieten, dem Militärregime still und heimlich die Kontrolle über die Territorien der ethnischen Gruppen zu ermöglichen. Dies gelte vor allem im ressourcenreichen Kachin. Viele sind deshalb der Meinung, dass die Feindseligkeit gegenüber China das Motiv für den Bombenanschlag auf das Myitsone-Wasserkraft-Projekt im April 2010 war.

Das risikoscheue China muss sich vor einer sehr instabilen Situation an seiner südlichen Flanke vorsehen. Während Peking in Birma auf Grenzstabilität drängt, könnten die Wahlen im November aufgrund der Nicht-Beteiligung der großen ethnischen Gruppen im Grenzgebiet einen weiteren potenziellen Konflikt auslösen.
 

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