Nur Besorgnis über Gräueltaten ist zu wenig
Nur Besorgnis über Gräueltaten ist zu wenig
What’s Left of Sudan After a Year At War?
What’s Left of Sudan After a Year At War?
Op-Ed / Africa 3 minutes

Nur Besorgnis über Gräueltaten ist zu wenig

Brennpunkt Darfur: Die EU muss sich endlich zu Sanktionen gegen den Sudan entschließen

Während sich die Tragödie im Sudan bereits im vierten Jahr abspielt, ist die zaghafte Reaktion der Europäischen Union nur schwer nachvollziehbar. Europa hat es versäumt, effektive Schritte zu unternehmen, um Khartum dazu zu bewegen, die Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit, begangen von ihren eigenen Truppen und nahestehenden Milizen im Westen Sudans, zu stoppen. Während dieser Zeit wurden mehr als zwei Millionen Menschen aus ihrer Heimat vertrieben und mehr als 200 000 Zivilisten in dem von der Regierung unterstützten Feldzug getötet.

Wenn offizielle europäische Äußerungen des Unbehagens effektiv wären, dann wären die ethnischen Säuberungen im Sudan natürlich schon längst gestoppt worden. Seit April 2004 haben die europäischen Außenminister neunzehn Erklärungen des Rates herausgegeben, zuletzt am 5. März 2007, in denen sie ihre kollektive "Besorgnis", "große Besorgnis", "anhaltende Besorgnis" oder "tiefe Besorgnis" - insgesamt nicht weniger als 53 Mal äußerten.

Nicht verwunderlich, dass Khartum eher unbeeindruckt blieb von dieser europäischen Besorgnis, weil die EU, wenn es um mehr als Worte geht, die Erwartungen nicht erfüllte und Sanktionen nur gegen vier Individuen verhängte: einen ehemaligen sudanesischen Luftwaffenkommandanten mittleren Ranges, einen Anführer der Dschandschawid-Miliz und zwei Rebellen. Des weiteren verhängte die EU ein schwaches und ineffektives Waffenembargo gegen die Kriegsparteien, das von allen Seiten mit Leichtigkeit umgangen wurde.

Der Widerwille, stärker zu agieren, basiert nicht auf irgendwelchen ethischen Vorbehalten bezüglich Sanktionen. Europa war bereit, weißrussische Ver-mögen einzufrieren und Reiseverbote gegen Weißrussland zu verhängen. Des weiteren wurden Reiseverbote gegen Separatisten in Moldawien aufgrund ihrer "Kampagne gegen Schulen mit lateinischer Schrift" und gegen Usbekistans Führung aufgrund des Andijan-Massakers im Mai 2005 verhängt. Milizen im Kongo, in Liberia und der Elfenbeinküste sind Gegenstand von EU-Sanktionen in Form des Einfrierens von Vermögen und Reiseverboten. Aber obgleich alle diese Taten verdienen, verurteilt zu werden und Sanktionen zu erleiden, so ist das Verhalten nichts im Vergleich zu der systematischen und von der Regierung unterstützten Verwüstung im Sudan.

Auch kann keiner in Europa ernsthaft in Frage stellen, wie tief Khartum in die massenhaften Gräueltaten in Darfur verwickelt ist. Verbleibende Zweifel wurden spätestens vergangenen Monat zerstreut, als der Chefankläger des Internationalen Strafgerichtshofs weitreichende Beweise für die Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit gegen zwei Personen, einschließlich des hochrangigen Staatsministers Ahmed Harun, präsentierte. Bezüglich der Rolle des Ministers sagte der Chefankläger: "Die wichtigste Koordinierungsaufgabe, die Ahmed Harun als Chef des ,Darfur Security Desk' (Darfur-Sicherheitsabteilung) anvertraut wurde, war das Management und die persönliche Beteiligung an der Rekrutierung von Milizen/Dschandschawid zur Ergänzung der sudanesischen Streitkräfte." Die Zahl der vorgebrachten Beweise ist die bislang wahrscheinlich aussagekräftigste Darlegung für die zentrale Rolle, die hochrangige Vertreter der sudanesischen Regierung bei der Planung und Ausführung der Gräueltaten in Darfur gespielt haben.

Die Verwüstung hält an, und die bereits schreckliche Lage hat sich in den vergangenen Monaten noch weiter verschlechtert. Schon Mitte Januar warnten Hilfsorganisationen vor einem Zusammenbrechen ihrer Einsätze, falls sich die Sicherheitssituation nicht bessere. Khartum hat außerdem die Rebellionen im benachbarten Tschad und in der Zentralafrikanischen Republik aktiv angeheizt, was vorhersehbar entsetzliche humanitäre Konsequenzen zur Folge hatte.

Anstelle einer vierundfünfzigsten Äußerung der Besorgnis sollten die europäischen Außenminister ihr nächstes monatliches Treffen im April dafür nutzen, dem Ruf des Europäischen Parlaments nach Sanktionen gegen Khartum zu folgen. Sie sollten Reiseverbote verhängen und die Vermögen aller Personen einfrieren, die in der UN-Untersuchungskommission und den Berichten des UN-Expertengremiums genannt werden. Sie sollten Maßnahmen in Erwägung ziehen, die sich speziell gegen die sudanesischen Öleinnahmen sowie gegen ausländische Investitionen und Lieferung von Gütern und Dienstleistungen richten.

Worte sind eindeutig nicht genug, um die Regierung zum Umdenken zu bewegen. Khartum hat zum wiederholten Mal seine Versprechen gebrochen, die Dschandschawid zu entwaffnen, das Waffenstillstandsabkommen zu implementieren und eine robustere Friedenssicherungstruppe zuzulassen - und das alles absolut ungestraft. So lange dem Regime keine erheblichen Kosten aufgezwungen werden, hat Khartum keinen Anreiz, auf Europa zu hören oder sein Verhalten zu ändern.

Vielleicht hat man schon vergessen, dass das Regime in Khartum sich zuvor schon öfters starkem internationalen Druck gebeugt hat, und zwar immer dann, wenn die internationale Gemeinschaft ihren Forderungen Taten folgen ließ. Unter solchem Druck unterschrieb Khartum das umfassende Friedensabkommen im Januar 2005, welches den zwanzigjährigen Bürgerkrieg im Süden des Landes beendete. Das Regime mag zwar mörderisch sein, aber es strebt vor allem danach, sein eigenes Überleben zu sichern und reagiert dementsprechend auf ernstzunehmenden internationalen Druck.

Eine "besorgte" Rhetorik zum Sudan reicht einfach nicht. Es ist Zeit für eine Reihe harter Sanktionen, die Khartums Aufmerksamkeit erregen und die Führung des Sudan davon überzeugen, dass die Fortsetzung der Kampagne der massiven Gewalt gegen die eigenen Bürger sehr reale Kosten nach sich zieht.

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